entnommen aus der Broschüre KNEIPP Anwendungen
herausgegeben vom Kneipp-Verlag GmbH, Bad Wörishofen

Diese Broschüre kann bestellt werden:
Kneipp-Verlag GmbH, Postfach 1451, 86817 Bad Wörishofen

Allgemeine Vorbemerkungen und Voraussetzungen
für die richtige Anwendung des Wassers:

Man beachte:
Im Rahmen der natürlichen Lebens- und Heilweise ist das Wasser zwar ein wesentlicher aber nicht der alleinige Bestandteil des Kneippschen Systems.

Allgemeine Aufgabe und erstrebte Wirkung aller Wasseranwendungen ist es, alle körperlichen und geistig-seelischen Funktionen des gesamten Organismus anzuregen, zu fördern und zum harmonischen Ausgleich zu bringen (Reiz- und Regulationstherapie).
Darum muss auch bei der Kneippschen Wasserkur die unspezifische komplexe Allgemeinwirkung immer mit berücksichtigt werden. Das gilt selbst, wenn man gezielt auf ein Organ oder Organsystem einwirken will. Eine rein lokale Wirkung gibt es nicht.

Der Einsatz aller Maßnahmen richtet sich zuerst nach dem allgemeinen und augenblicklichen Kräfte- und Reaktionszustand, d. h. nach Körperbau (kräftig oder schwach), nach Leistungsfähigkeit (gut oder schlecht), nach Hautbeschaffenheit (gut oder schlecht durchblutet), nach Alter, nach Gesundheits- und Krankheitszustand u. a.. Insbesondere sind zu berücksichtigen: die Herz- und Kreislaufverhältnisse, die nervliche Verfassung, die Körpertemperatur (Fieber oder Unterkühlung), die Art einer Entzündung oder eines Katarrhes (akut oder chronisch).

Reiz und Reaktion

Alle Wasseranwendungen üben auf den Organismus einen Reiz aus, der zu einer sinnvollen (physiologischen) Reaktion führen soll. Die Reaktion hängt außer vom Kräfte- und Reaktionszustand wesentlich ab von der Reizstärke. Diese wird bestimmt durch:

1. Die Wassertemperatur
Skala der Temperatureinteilung

0° C0 bis 18 ° Cbis 22 ° C23 bis 32° C33 bis 35 ° C36 bis 38 ° Cbis 41-44 ° C
Eiskalttemperiertzu geringe ReaktionHaut- oder Indifferenz- temperaturwarmheiß bis sehr heiß

 

über 44° C hinaus keine Anwendung außer nach spezieller ärztlicher Verordnung. Bei 72° C tritt Verbrühung ein. Je rascher und je weiter sich die Wassertemperatur von der Hauttemperatur (33-35°C) entfernt, um so stärker ist der Reiz und in der Regel auch die Reaktion.

2. Die Zeitdauer der Anwendung
Je mehr Sekunden bei den kalten und je mehr Minuten bei den warmen und heißen Anwendungen, um so stärker ist der Reiz.

3. Die Größe der gereizten Fläche
Ein Fußbad z. B. ist in der Regel ein kleinerer Reiz als ein Halbbad, dieses wiederum kleiner als ein 3/4 oder Vollbad, eine Leibauflage ist kleiner als ein Lendenwickel, dieser wiederum kleiner als eine 3/4 Packung usw.
Durch die Abstufung der Flächengröße ist eine Abstufung der Reizstärke möglich.
Allgemein gilt: Was man mit einem milden Reiz erreichen kann, verdirbt man oft durch einen starken und gefährdet den Organismus durch stärkste Reize. Dabei ist individuell verschieden, was mild, stark und am stärksten ist.
Im Zweifelsfalle sollte immer der Arzt entscheiden.
Das Trainingsprinzip ist auch in der Wasserheilkunde ein Grundprinzip, d. h. durch systematisch gesteigerte Reizbelastung werden auch gesteigerte Reaktionen ausgelöst bis zur maximalen individuell möglichen Leistungssteigerung.

Trainingsbeispiele
Man wechsle und steigere:
Art, Fläche, Temperatur und Dauer der Anwendung, z. B. Teilwaschungen –> Ganzwaschung –> Fußbad –> Wassertreten –> Knieguss –> Schenkelguss –> Rückenguss –> Vollguss.

Allgemeine Reaktionen und Wirkungen auf:

Kälte:
bewirkt zuerst eine aktive Verengung der arteriellen Blutgefäße. Zeichen: Blässe, Gänsehaut, Kälte- bis Schmerzgefühl; dann folgt eine aktive Erweiterung. Zeichen: Röte, Wärmegefühl, Wohlgefühl, die eigentliche physiologische Reaktion.

Wärme:
erweitert von vornherein die arteriellen Blutgefäße. Zeichen: Röte, Wärmegefühl, Wohlgefühl. Bei Venenerkrankungen Erweiterung der Venen und Stauung. Daher Wärme in der Regel verboten.

Hitze:
kurzdauernd (ca. 3 Minuten) wirkt wie Kälte. Zeichen: Blässe, Gänsehaut, dumpfes Druck- bis Schmerzgefühl, dann über 3 – 5 Minuten hinaus wie Wärme.
Wechsel von Wärme und Kälte bedeutet Gefäßtraining, bessere Durchblutung, höhere Leistung des Kreislaufes.